Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V.

 

 

 

 

 

 

              Biologische Stechmückenbekämpfung am Oberrhein

 
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Aktualisiert: 05.09.2016   

Einfluss von Bti auf die Zuckmückenfauna


Seit Beginn der biologischen Stechmückenbekämpfung am Oberrhein gibt es Bedenken bezüglich der ökologischen Auswirkungen als Nebeneffekt der Bekämpfungsmaßnahmen mit Bti. Um diese Bedenken auszuräumen und zur Erfüllung der behördlichen Auflagen zur Überprüfung der Umweltverträglichkeit, wurden seit jeher im Rahmen des Forschungsprogramms der KABS vor allem Untersuchungen zu den Folgen der Bekämpfungsmaßnahmen für das Nahrungsnetz durchgeführt.

 

ZuckmückenlarvenDabei wurde ein großer Augenmerk auf die ebenfalls Bti-sensitiven Zuckmücken (Chironomidae) gerichtet, welche ein wesentlicher Bestandteil der Nahrung z.B. für Fische, Vögel und Fledermäuse darstellen.

Zunächst einmal sei erwähnt, dass die KABS eine Bekämpfungsstrategie der Rheinschnaken verfolgt, die es ausschließt, dass Massenbrutstätten der Zuckmücken entlang des Rheines mit B.t.i. behandelt werden. Während die Entwicklungsstadien der von der KABS bekämpften Rheinschnaken-Arten in nur zeitweise existierenden Gewässern vorkommen, haben Zuckmücken ihre Massenbrutgewässer in meist verschlammten Dauergewässern (eutrophe Altarme, Baggerseen), welche im Rahmen der Bekämpfungseinsätze der KABS grundsätzlich nicht behandelt werden.

 

Zwar weisen die biologischen Toxine von B.t.i eine erstaunliche Selektivität auf, bei deutlicher Überdosierung werden jedoch auch weitere Vertreter von Mückenfamilien abgetötet. Eine Schädigung dieser Nichtziel-Organismen kann jedoch durch eine exakte Dosierung vermieden werden.

So gehören innerhalb der Familie der Zuckmücken (Chironomidae) die empfindlichsten Arten der Gattung Chironomus an, welche allerdings noch etwa 10-mal unempfindlicher reagieren als Stechmücken. Vertreter der Zuckmücken-Gattung Psectrocladius werden erst bei etwa 60-fach höherer Dosierung, Zuckmücken der Gattung Psectrotanypus und Xenopelopia sogar erst bei 60-200-fach höherer Dosierung, als für die Stechmückenbekämpfung notwendig ist, getroffen.

So werden vom Land Bayern die dort teilweise plageerregend vorkommenden Zuckmücken mit einer B.t.i-Dosis von 6000-9000g/ha bekämpft, was nicht mal zu einer vollständigen Reduktion der Zuckmücken führt. In den Bekämpfungsgebieten der KABS werden je nach dem Alter der Stechmückenlarven lediglich 250-800g des biologischen Wirkstoffes pro Hektar ausgebracht.

 

So haben viele wissenschaftliche Studien gezeigt, dass Zuckmücken nicht umweltrelevant durch Bti-Behandlungen in der vorgeschriebenen Dosierung gegen Stechmücken getroffen werden. Durch die von der KABS praktizierte mosaikartige gezielte Bekämpfung der Überschwemmungsmücken entstehen somit keine „Löcher“ im Nahrungsnetz und die Biodiversität bleibt erhalten.

Das Ziel, das sich die KABS gesetzt hat, Menschen vor den Stechmücken sowie gleichermaßen die Umwelt zu schützen, wird zu 100% erreicht – auch, weil die Bekämpfungsstrategie von qualifizierten Ökologen der KABS erarbeitet und umgesetzt wird.

 

Hier die detaillierte Darstellung der von Wissenschaftlern der KABS vorgenommen Arbeiten zu den Zuckmücken:

 

In Mitteleuropa kommen etwa 1.000 Arten an Zuckmücken (Chironomidae) vor. Sowohl die Larven als auch die adulten Tiere können lokal in großen Massen auftreten und spielen daher eine wichtige Rolle als Nahrungsorganismen für verschiedene Prädatoren. Wie schon lange bekannt ist können die meist aquatischen Larven der Zuckmücken durch das Toxin des Bacil-lus thuringiensis israelensis (B.t.i.) geschädigt oder getötet werden, allerdings muss die Dosis um ein Vielfaches höher sein als bei Stechmückenlarven.

 

Um die Auswirkungen von BTI auf die Zuckmücken und deren Populationen im Anwendungsgebiet der biologischen Stechmückenbekämpfung zu untersuchen wurden von der KABS bereits umfangreiche Forschungsarbeiten durchgeführt. So wurde in Laborversuchen die Wirkung von BTI auf die Larven verschiedener Zuckmückenarten getestet: Larven der Chironomus plumosus Gruppe wurden im Laborversuch bei einer BTI Konzentration geschädigt, die etwa dem 80fachen der üblichen Menge entspricht, wie sie bei einem Routineeinsatz zur Bekämpfung von Stechmücken zu Einsatz kommt (METZGER 1987).

 

Larven von Chironomus thummi thummi wurden bei einer 40-50fachen Überdosis geschädigt (YIALLOUROS 1993). Bei histologischen Untersuchungen an Mitteldarmepithelzellen wurden Veränderungen an Mitochondrien, Dyctiosomen und dem basalen Labyrinth festgestellt (YIALLOUROS 1993). FABIS (1995) und YIALLOUROS (1996) ermittelten eine Schädigung der Larven von Psectrotanypus varius, Psectrocladius psilopterus und Xenopelopia nigricans bei einer 40-60fachen Überdosierung von BTI. Bei den Versuchen von FILLINGER (1998) wurden Schädigungen an den Larven von Endochironomus tendens, Glyptotendipes pallens und Pseutdosmittia sp. bei einer 30-260fachen Über-dosierung festgestellt. Lediglich Cricotopus sylvestris erwies sich als besonders sensibel und zeigte schon bei einer 11fachen Überdosis Schäden.

 

Diese Studien wurden durch Freilandversuche zur BTI-Wirkung auf Zuckmücken ergänzt, um so Aufschluss über mögliche ökologische Folgewirkungen zu erlangen: In langjährigen Feldversuchen mit Emergenzfallen in den Überschwemmungsauen des Oberrheins konnte FILLINGER (1998) keinen statistisch belegbaren Rückgang der Abundanz von Zuckmücken nach einer Routinebekämpfung mit BTI feststellen. Entsprechend stellte METZGER (1987) in Feldversuchen, die er in den nordbadischen Rheinauen durchführte, selbst bei einer 160fachen Überdosierung noch keine Schädigung der Zuckmücken fest.

 

FILLINGER (1998) beprobte mit Emergenzfallen an vier Standorten jeweils aquatische, semi-terrestrische und terrestrische Bereiche. Dabei konnten mindestens 163 verschiedene Zuckmückenarten nachgewiesen werden. Zwischen den einzelnen Standorten gab es erhebliche Unterschiede in der Artenzusammensetzung und Abundanz der Zuckmücken. Als Hauptfaktor für diese Schwankungen wurden die regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen durch den Rhein ermittelt. Diese fortwährenden Störungen charakterisieren den Lebensraum Auwald und sind essentieller Bestandteil der Lebensbedingungen dieser Biozönose. Wechselnde abiotische Faktoren, insbesondere Hochwasser- bzw. Trockenheitsperioden, sind also für die Schwankungen in Arten- und Individuenzahlen der Zuckmücken als ursächlich anzusehen und überdecken sämtlichen möglichen Auswirkungen, die eine BTI-Applikation auf die Chironomiden-Gemeinschaften haben könnte.

 

Das Angebot von Zuckmücken aber auch aller anderen nächtlich flugaktiven Insekten, die z.B. als Nahrung für Fledermäuse essentiell sind, untersuchten über viele Jahre hinweg STEUERWALD & ZEITZ (1992-1996) bzw. STEUERWALD & STEUERWALD (2015). Die Autoren erfassten dabei mit Hilfe einer Lichtfanganlage an verschiedenen Auwaldstandorten die dort in den Abend- und Nachtsunden fliegenden Insekten. Dabei wurden Standorte, die seit vielen Jahren regelmäßig mit BTI im Routineeinsatz bekämpft wurden, mit Standorten verglichen, an denen keine biologische Stechmückenbekämpfung stattfindet (Tabugebiete). An allen Standorten traten die Zuckmücken als die bei weitem häufigste Insektengruppe auf.

 

Je nach Jahreszeit betrug der Anteil der Zuckmücken am Gesamtfang zwischen 60% und über 95%. Typisch war das besonders häufige Auftreten der Zuckmücken kurz nach der Dämmerung. Im Laufe der Nacht nahm ihr Anteil kontinuierlich ab und es traten vermehrt Schmetterlinge (Lepidoptera), Käfer (Coleoptera) und Köcherfliegen (Trichoptera) auf. Unterschiede in der Häufigkeit von Zuckmücken in mit BTI bekämpften Gebieten und unbekämpften Gebieten konnten nicht festgestellt werden. Lediglich Stechmücken traten in unbekämpften Gebieten deutlich häufiger auf.

 

Somit bleibt festzuhalten, dass es durch die biologische Stechmückenbekämpfung keine erheblichen Einflüsse auf die dämmerungs- und nächtlich flugaktive Insektenfauna gibt. Auch die direkte toxische Auswirkung auf Larven von Zuckmücken ist bei einer Dosierung des Toxins, wie es in der Routineapplikation ausgebracht wird, als (abhängig von der jeweiligen Art) auszuschließen bzw. als ökologisch nicht erheblich einzustufen.

 

Literatur:

FABIS, R. (1995): Ökotoxikologische Untersuchung der Auswirkung einer Bacillus thuringiensis var. israelensis-Behandlung (BTI) auf die Larven von Psectrotanypus varius (Chironomidae). - Diplomarbeit, Universität Hei-delberg. 110 S. (Zusammenfassung)

 

FILLINGER, U. (1998): Faunistische und ökotoxikologische Untersuchung mit BTI an Dipteren der nördlichen Oberrheinauen unter besonderer Berücksichtigung der Verbreitung und Phänologie der Zuckmücken (Chironomidae). - Dissertation, Universität Heidelberg. 451 S. (Zusammenfassung)

 

METZGER, R. (1987): Die Chironomiden-Fauna (Diptera) ausgewählter Gewässer am nördlichen Oberrhein so-wie deren mögliche Beeinflussung durch die Stechmückenbekämpfung mit BTI-Präparaten. Diplomarbeit, Universität Heidelberg. 145 S. (Zusammenfassung)

 

STEUERWALD, F. & ZEITZ, R. (1992, 1993, 1994, 1995, 1996): Untersuchung zur Zusammensetzung von nächtlich flugaktiven Insektenpopulationen in ausgewählten Auwaldgebieten unter besonderer Berücksichtigung der Chironomiden; KABS-Berichte im Rahmen der Begleituntersuchungen zur Stechmückenbekämpfung mit BTI.

 

STEUERWALD, F. & STEUERWALD, R. (2015): Untersuchung zur Zusammensetzung von nächtlich flugaktiven Insektenpopulationen in ausgewählten Auwaldgebieten unter besonderer Berücksichtigung der Chironomiden; KABS-Bericht im Rahmen der Begleituntersuchungen zur Stechmückenbekämpfung mit BTI. (Zusammenfasung) (Kompletter Bericht - PDF)

 

YIALLOUROS, M. (1993): Elektronenmikroskopische Untersuchung zur Wirkung von Bacillus thuringiensis var. israelensis und Bacillus sphaericus auf das Mitteldarmepithel von Chironomus thummi thummi (Chironomidae, Diptera). KABS-Bericht. (Zusammenfassung)

 

YIALLOUROS, M. (1996): Untersuchung zur Wirkung von Bacillus thuringiensis var. israelensis und Bacillus sphaericus auf Larven von Psectrocladius psilopterus und Xenopelopia nigricans (Chironomidae, Diptera). KABS-Bericht. (Zusammenfassung)

 

 

Vier ausgewählte internationale wissenschaftliche Untersuchungen zum Bti-Effekt auf die aquatische Fauna, mit besonderer Berücksichtigung der Zuckmücken

 

1) Langzeitstudie im Dalälven-Flussgebiet von 2002-2007 (Schweden)

 

Lundström et al. 2010

"High species richness of Chironomidae (Diptera) in temporary flooded wetlands associated with high species turn-over rates."

Bulletin of Entomological Research 100, Cambridge University Press, 2010.


Methode: Es wurden sechs mit Bti behandelte und sechs unbehandelte Gebiete in ähnlicher Weise, wie in der KABS-Studie in Deutschland (FILLINGER, 1999), mit Schlüpffallen im Dalälven-Flussgebiet beprobt. Die Studie wurde von 2002-2007 durchgeführt.

 

Fazit: Es wurden 135 Zuckmückenartenarten nachgewiesen. Die Behandlungen hatten keinen signifikanten Einfluss auf den Artenreichtum der Zuckmücken und die Zahl der Arten war sogar höher in den behandelten Flächen.

 

 

 

2) Langzeitstudie über sechs Jahre im Dalälven-Flusssystem (Schweden)

 

Lundström et al. 2009

"Production of wetland Chironomidae (Diptera) and the effects of using Bti for mosquito control."

Cambridge University Press 2009


Methode: Es wurde die Zuckmückenentwicklung in drei Gebieten mit Bti-Behandlungen und in drei vergleichbaren Gebieten ohne Bti Applikation im Dalälven Flusssystem in Schweden verglichen. Die Studie wurde über einen Zeitraum von sechs Jahren vorgenommen.

 

Fazit der Autoren: Es wurde keine reduzierte Zuckmückenentwicklung im mit Bti behandelten im Vergleich zum unbehandelten Gebiet festgestellt.

 

 

 

Baggersee

 

 

 

3) Langzeitstudie über sechs Jahre in küstennahen Feuchtgebieten der Atlantikküste (Frankreich)

 

Laurent Lagadic et al. 2013

"Bti sprays do not adversely affect non-target aquatic invertebrates in French Atlantic coastal wetlands."

Journal of Applied Ecology, 2013.


Methode: Es wurden in Küstengewässern Invertebraten (Wirbellose, u.a. Zuckmücken) in mit Bti behandelten und unbehandelten Gewässern regelmäßig im Zeitraum von 2006 bis 2012 standardisiert gesammelt und die Ergebnisse statistisch ausgewertet.

 

Fazit der Autoren: Es wurde kein Einfluss der wiederholten Bti Behandlungen über sechs Jahre auf die aquatische Fauna inklusive der Zuckmücken festgestellt. Allerdings zeigt sich auch hier, wie in den deutschen Studien gezeigt, dass abiotische Faktoren einen erheblichen Einfluss auf die aquatische Fauna haben.

 

 

 

4) Freilandstudie zum Effekt von Bti und Spinosad auf das Schlupfverhalten von Zuckmücken (Frankreich)

 

Duchet Claire et al. 2015

"Effects of Bacillus thuringiensis israelensis and spinosad on adult emergence of the non-biting midges Polypedium nubifer and Tanytarsus curticornis in coastal wetlands." 

Ecotoxicology and Environmental Safety 115, 272-278.


Methode: Jeweils fünf abgegrenzte Wasserkörper wurden mit Bti (Vectobac 12AS, 2,5 Ltr/ha) und Spinosad behandelt und fünf Wasserkörper blieben unbehandelt. Das Schlüpfen der Zuckmücken wurde über einen Zeitraum von drei Wochen erfasst.


Fazit der Autoren: Die Studie bestätigt, dass Bti-Behandlungen mit den vorgeschriebenen Dosierungen keinen signifikanten negativen Effekt auf die Zuckmückenpopulationen ausüben. Im Gegensatz dazu führt Spinosad (ein Toxin, das aus Pilzen gewonnen wird) zu erheblichen negativen Effekten.

 

Anmerkung: Die verwendete Bti-Dosis in dieser Studie ist etwa doppelt so hoch, wie die von der KABS angewendete Dosierung. Das Pilz-Toxin Spinosad wird nicht von der KABS verwendet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

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